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Sichere Räume? Ein Mythos, den wir hinterfragen sollten.

"Ich biete dir einen sicheren Raum für deine Prozesse." Besonders im Zusammenhang mit traumasensiblen oder nervensystemorientierten Angeboten taucht diese Formulierung oft auf. Wir müssen dringend darüber sprechen, dass es den per se sicheren Raum nicht gibt.


Sicherheit ist individuell

Ob sich ein Raum sicher anfühlt, entscheidest nicht du als Raumhalter:in! Denn Sicherheit ist immer subjektiv und deshalb entscheidet die Person, die den Raum nutzt, ob er sich sicher anfühlt oder nicht. Die absolute Sicherheit gibt es ohnehin nicht.


Zwei Menschen können sich im selben Raum aufhalten – und ihn völlig unterschiedlich erleben. Während du dich wohl und verbunden spürst, schrillen bei jemand anderem alle Alarmglocken. Das zeigt: Sicherheit ist nicht objektiv messbar, sondern eine individuelle Erfahrung.

Wenn ich von Räumen spreche, meine ich alle Arten von Erfahrungsräumen: Therapie- und Coaching-Sessions, Frauenkreise, Workshops, Yogastunden und viele mehr.

Eigene blinde Flecken in der Arbeit mit Menschen

Nur weil du eine traumasensible oder nervensystemorientierte Aus- oder Weiterbildung hast, bedeutet das nicht, dass deine Angebote für alle sicher sind. Nutzt du dieses Wording, bedienst du möglicherweise eigene blinde Flecken. Es kann sein, dass du dich in diesen Settings selbst sehr sicher fühlst (was superwichtig ist) und deswegen automatisch davon ausgehst, dass es allen anderen auch so geht. Oder dass aufgrund eigener ungelöster Themen (die wir alle haben) eine Übertragungsreaktion stattfindet. Dann wird das Problem schnell auf die Person projiziert, die sich nicht sicher fühlt, anstatt dass du dich selbst hinterfragst und genauer bei dir hinschaust.

Das Problem ist dabei Folgendes: Menschen, die sich in deinem Setting nicht sicher fühlen, könnten sich beschämt oder verunsichert fühlen, weil der Raum doch als "sicher" beschrieben wurde. Sie suchen den "Fehler" dann möglicherweise nur bei sich und das ist nicht dienlich! Es kann bestehende Unsicherheiten und Schwierigkeiten zusätzlich verstärken. Möglicherweise passt das Angebot aktuell nicht oder es wurde tatsächlich etwas übersehen. Deswegen möchte ich dich einladen, dich ganz grundsätzlich und bewusst mit dem Begriff eines sicheren Raums auseinanderzusetzen.


Reflexionsfragen, um Räume möglichst sicher zu gestalten

Du kannst die nachfolgenden Fragen mündlich durchgehen oder gerne auch aufschreiben – je nachdem, was sich für dich gerade stimmig anfühlt.

  • Für wen ist mein Angebot? Für wen nicht?

  • Was bedeutet ein sicherer Raum für mich? Wie kann ich dieses Gefühl vermitteln?

  • Für wie viele Personen kann ich einen Raum halten, sodass ich mich dabei selbst sicher fühle?

  • Wenn ich mit größeren Gruppen arbeite: Wie viele Assistent:innen brauche ich zur Unterstützung?

  • Wie gestalte ich meine Angebote? Wie viel Orientierung und Wahlmöglichkeiten gebe ich?

  • Welche Selbstregulations-Tools unterstützen mich während des Angebots?

  • Wie gehe ich mit Fragen oder Unsicherheiten der Teilnehmenden um?

  • Wie und mit wem reflektiere ich meine eigenen blinden Flecken? Welche Gefässe der Supervision oder Intervision stehen mir zur Verfügung?

  • Was kommt mir sonst noch dazu in den Sinn?

Aber wer trägt die Verantwortung für die Sicherheit der Teilnehmer:innen?

Vielleicht denkst du jetzt: "Schön und gut, Corinne. Ich sehe das. Aber ist es wirklich nur meine Verantwortung, dass sich jemand in meinen Angeboten sicher fühlt? Ich meine, die Teilnehmer:innen können ja auch für sich sorgen, oder? Sind ja alles Erwachsene."

Ja und nein! Denn je nach Trauma in der Biografie greifen gewisse Instinkte und entsprechend auch Verhaltensweisen nicht mehr, und die Selbstfürsorge ist dadurch eingeschränkt. Re-Traumatisierungen sollen unter allen Umständen vermieden werden. Und dafür braucht es mehr Bewusstsein! Im besten Fall ist es ein Miteinander in der Verantwortung.


Meine eigenen Erfahrungen

Just to be honest: Ich habe vor einigen Jahren auch so kommuniziert. Heute sehe ich es anders. Mir ist dieses Thema so wichtig, weil ich selbst in sogenannten sicheren Räumen tief verletzende Erfahrungen gemacht habe:


  • Eine Retraumatisierung in einem Yoga-Teacher-Training, in dem ich in einem hoch dissoziativen Zustand alleine gelassen wurde.

  • Eine Ecstatic-Dance-Veranstaltung, in der ich so stark aktiviert wurde, dass ich mich selbst kaum regulieren konnte. Auch hier war keine Unterstützung da. Mit Co-Regulation wäre es so viel einfacher gewesen. Dank meiner Toolbox schaffte ich es dann auch alleine, wieder bei mir zu landen.

  • Eine Online-Ausbildung, in der ich plötzlich aus meiner Assistenzrolle entlassen wurde, ohne dass vorherige Unstimmigkeiten besprochen worden waren.


Ich weiß, dass ich mit diesen Erfahrungen nicht allein bin. Leider!


Gleichzeitig durfte ich aber auch so viele Räume erleben, in denen ich mich wirklich sicher und gesehen fühlte – ohne dass sie explizit als sicher betitelt wurden. Das hat mich zum Nachdenken gebracht.


Was also macht Räume wirklich sicher?

Eine einfache Antwort gibt es meiner Meinung nach nicht. Und schon gar keine Checkliste. Ein sicherer Raum zu sein oder einen sicheren Raum zu halten, ist ein ständiger Reflexionsprozess. Doch es gibt verschiedene Essenzen, die wir berücksichtigen können, um diverse Settings sicherer zu gestalten. Diese werden in weiteren Blogbeiträgen beschrieben.


So kann ich dich aktuell unterstützen

Meine Mission mit Traumasensible Räume ist mehr Sicherheit in diese Welt zu bringen. Von innen nach aussen! Mit diesen drei Angeboten kann ich dich aktuell darin unterstützen:


1:1-Begleitung (in Luzern oder online via Zoom) – um die Flexibilität deines Nervensystems zu erweitern und in dir selbst mehr Sicherheit zu kreieren.


Nervensystem-Workshop in Luzern – erfahre in einer kleinen Gruppe auf spielerische und kreative Art mehr über deine Nervensystem-Zustände und wie sie sich in deinem Alltag zeigen.


Resonanzraum – wir nehmen gemeinsam dein Angebot unter die traumasensible Lupe nehmen und schauen, wie du dein Setting sicherer gestalten kannst. Schreibe mir dafür mit deinem Anliegen am besten eine E-Mail: info@corinnekueng.ch Abonniere zudem gerne meinen Newsletter um up to date zu bleiben.


Lass uns gemeinsam lernen und wachsen und die Welt zu einem sicheren Ort machen . Was verstehst du unter einem sicheren Raum? Welche Gedanken oder Erfahrungen möchtest du dazu teilen? Ich freue mich über deinen Kommentar.

 
 
 

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